Evian in Frankreich, die Hauptstadt des Tafelwassers, scheint die geeignete Stadt für ein Treffen der Staatsoberhäupter der acht mächtigsten Industrienationen zu sein. Aber die Bilder von wohlhabenden Regierungschefs, die das «Original» Gourmet H2O schlürfen, werden kaum geeignet sein, darüber hinwegzutäuschen, dass der exklusive Club G8 ein elitäres und undemokratisches Forum ist.
Angesichts der Tatsache, dass einige Länder dieser Gruppe gegen die Invasion des Irak opponierten, werden die Kommentatoren sehr genau beobachten, wie sich die Spannungen zwischen den USA und dem »Alten Europa während des Besuchs von Präsident Bush in Frankreich entwickeln. Trotzdem wird die tatsächliche Auseinandersetzung über internationale Visionen außerhalb der Versammlungsräume stattfinden, nämlich auf der Straße.
Die Verschuldung und die Waffenkontrolle sind zwei wichtige Tagesordnungspunkte beim Treffen in Evian. Es wird sich zeigen, dass diejenigen, die an den Protestmärschen teilnehmen, nicht nur wichtige Kritik anbringen wollen, sondern dass sie auch lebenswichtige Lösungen für internationale Probleme anbieten können.
Schuldenerlass: In den letzten fünf Jahren haben die Diskussionen um die Frage, ob die wohlhabenden Länder die ärmeren Länder von erdrückenden Schuldentilgungen befreien sollen, einen zentralen Platz in den Diskussionen der G8 eingenommen. Auch heuer ist die Diskussion wieder da, aber dieses mal in einer ungewohnten Form. Die Vereinigten Staaten waren bisher energische Gegner eines echten Schuldenerlasses, heuer argumentieren sie, dass der Nachlass wesentlich ist — für den Irak.
Der Irak schuldet mehr als sechzig Milliarden Dollar an ausländische Gläubiger plus Reparationszahlungen für seine Invasion von Kuwait. Präsident Bush ist besorgt, dass ohne Schuldennachlass das Land gezwungen wäre, einen derart großen Teil seiner wirtschaftlichen Ressourcen für den Schuldendienst aufzuwenden, so dass der Wiederaufbau unmöglich würde.
Die anderen G8 Staaten sind nicht grundsätzlich dagegen, aber die europäischen Regierungschefs sind nicht entzückt darüber, dass die Schuldendebatte von den USA dazu missbraucht wird, ihre einseitigen außenpolitischen Vorstellungen umzusetzen. Der Umgang der Bush Administration mit anderen Schuldnerländern lässt darauf schließen, dass die neu entdeckte Sympathie des Präsidenten mehr mit dem «Regimewechsel» zu tun hat, als mit seiner humanitären Gesinnung.
Gerade letzten Monat blockierte das Weiße Haus die Einrichtung eines souveränen Umschuldungsplanes beim Internationalen Währungsfonds. Obwohl fast die ganze Welt, inklusive aller europäischen Wirtschaftsminister, diesen Plan unterstützten — de facto ein weltweites Konkursgericht — argumentierten die USA, dass es zu teuer wäre auch nur daran zu denken, dass überschuldete Länder gesetzlich geregelten Konkurs für ihre Schulden bei Privaten anmelden könnten.
Das Beispiel des Irak beleuchtet einen Punkt, den die Entschuldungskoalition seit dem Jubiläumsjahr beleuchten wollte. Ein Großteil der Schulden, die auf Entwicklungsländern lasten, sind «faul» — d.h. sie sind das Ergebnis von Krediten, die vermögende Gläubiger tyrannischen Regierungen gewährten. Es ist schlicht unmenschlich, wenn nun die Länder der G8, einschließlich der USA, diese Schulden nach dem Fall der Diktatoren den verarmten Bürgern aufhalsen.
Wenn die wohlhabenden Länder Ernst machten mit der Hilfe zur Freiheit, müssten sie die fehlende Legitimität nicht nur der Verpflichtungen des Irak anerkennen, sondern auch die aller anderen faulen Kredite.
Abrüstung und Nicht-Weitergabe sind wichtige Punkte auf der Tagesordnung in Evian. Sie stellen einen zweiten Bereich dar, in dem die Demonstranten eher als die Regierungen humane und internationale Lösungen anbieten können.
Während der Kampagne gegen den Irak waren die USA das einzige Land, das die Führung im Kampf gegen die Massenvernichtungswaffen übernehmen wollte. Allerdings haben die USA faktisch jeden ernstzunehmenden diplomatischen Versuch zur Abrüstung behindert. Vom Atomwaffensperrvertrag, dem Lenkwaffensperrvertrag, dem Atomtestsperrvertrag, den Vertrag über biologische Waffen bis zu den neuen Versuchen Landminen zu verbieten, den Handel mit Handfeuerwaffen zu kontrollieren, den Waffenhandel mit Diktaturen zu unterbinden oder das Verbot von Waffenstationierungen im All.
Die Gruppe der G8 als Ganze hat einen etwas besseren Ruf. Dennoch standen Länder wie Frankreich, Russland, Deutschland und Großbritannien als die größten globalen Händler mit konventionellen Waffen an der Seite der USA und lehnten Einschränkungen beim Verkauf von Waffen an Diktatoren ab. Diese fünf Länder waren zusammen verantwortlich für fast 83 Milliarden Dollar Umsatz mit Waffen in den Jahren von 1997 bis 2001.
Eine sicherere Welt kann nicht dem Eigennutz von Weltmächten überantwortet werden. Die populären Massenbewegungen haben immer schon strenge Kontrollen für die Produktion, den Einsatz und den Markt für Waffen gefordert, ob konventionelle, chemische oder nukleare Waffen.
Die Vorschläge, die Jaques Chirac über die Nicht-Weiterverbreitung auf den Verhandlungstisch in Evian legen will, verdienen zweifellos internationale Beachtung. Die USA und andere G8 Staaten verhandeln weiterhin basierend auf kurzsichtigen Visionen für ihren nationalen Wohlstand. Ihre verwässerten Abkommen werden keineswegs den Visionen für eine «Sicherheit der Menschen» entsprechen, wie sie von den Leuten auf der Straße postuliert werden.
Die Argumente der Demonstranten für die Waffenkontrolle und gegen die Verschuldung illustrieren eine weiterreichende Kritik an den G8. Wenn Versammlungen mächtiger globaler Eliten die gegenwärtige Weltordnung gestalten wollen, nennt man das Realpolitik, aber es ist keine Demokratie. Die Institutionen, welche die G8 in die Welt gesetzt haben, wie die Welthandelsorganisation und der IWF stellen auch keine Körperschaften globaler Governance dar.
Wenn das Ziel Freiheit ist, oder die Welt sicherer werden soll, dann kann die Herrschaft der Reichen nicht länger geduldet werden. Bis die offiziellen Bereiche nicht so umgestaltet werden, dass die Stimmen der Welt zu Wort kommen, werden die Proteste von außen weiter einen wahrhaften Multilateralismus fordern müssen.